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Shortlist 2007
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DIE SECHS FINALISTEN FÜR DEN VON DER VICK-FOUNDATION VERGEBENEN PREIS ‚BESTER BULGARISCHER ROMAN DES JAHRES’
Vladislav Todorov
Dzift (Asphalt)
Janette 45

‚Die Geschichte, die ich hier zu erzählen versuche – soweit meine Kräfte und mein Gedächtnis (die mich, wie ich merke, schnell verlassen) es gestatten –, nahm ihren Anfang vor langer Zeit, vor ungefähr zwanzig Jahren. Sie endete, als ich, der Bürger Lev Kaludov Zhelyazkov, entlassen wurde. Im Alter von achtunddreißig Jahren verließ ich das Zentralgefängnis von Sofia, wo ich eine Strafe wegen Mordes und Raubes verbüßt hatte. Ich war in einer bestimmten Epoche der Geschichte ins Gefängnis gekommen und verließ es in einer vollkommen anderen – der 9. November trennte sie.’
Vladislav Todorov
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Galin Nikiforov
Dobro momche (Der brave Junge)
Janette 45

‚Das luxuriöse Gebäude des Bezirksgerichts und der Bezirksstaatsanwaltschaft war in der bläulichen Winterdämmerung erleuchet wie ein Ozeanliner, der in einem dunklen Hafen vor Anker liegt. Der Arbeitstag näherte sich dem Ende, und Pawel stand am Eingang, die Arme hinter dem Rücken. Er war seiner langweiligen Pförtnerpflichten mehr als sonst überdrüssig und schaute sich gelangweilt das riesige Marmorfoyer und die blassen Gummibäume entlang der Wände an, während er auf die Assistenten des Bezirksstaatsanwalts wartete, die immer zuerst gingen.’
Galin Nikiforov
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Georgi Tenev
Partien dom (Die Parteizentrale)
Altera

‚In der Parteizentrale des Reaktors, im Reaktor der Parteizentrale – unter dem abgenommenen Deckel dringen die Blicke anderer Menschen ein. Die ganze Welt weiß bereits alles über Tschernobyl. Zwischen den Hauptstädten des Planeten funkeln Blitze und fliegen Telegramme hin und her. Schließlich gibt Moskau es halbherzig zu. Kiew trauert, wenn auch nicht offiziell. Und in unserem Land wird geschwiegen, der Frühling zeigt sich ohne Panik. Ihre Lippen suchen meine Lippen, sie greift nach meiner erhitzten Brust. Sie möchte mich retten, um, falls möglich, den Fehler ihres Vaters wiedergutzumachen. Die kindliche Erinnerung in den unsichtbaren rasierten Haaren zertrümmert mich zu Staub, lässt mich schmelzen, ich lasse meine Arme fallen. Das enttäuscht sie wahrscheinlich, der Schmerz fließt aus ihrem Körper, aber sie versteht auch: Wir sollten besser aufhören, das wäre besser für uns beide. Das blaue Fleisch meines langen Körpers kriecht aus den besiegten Ausflüssen. Ich lasse mich nach hinten fallen und sie ruht sich neben mir aus, wir sind beide in Schweiß gebadet, er fließt durch uns beide. Liebe ich sie oder hasse ich sie? – Niemand hat mir je eine relativere Frage gestellt.’
Georgi Tenev
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Maria Stankova
Trikrakoto kuche (Der dreibeinige Hund)
Janette 45

‚Eine gelbe Straße. Natürlich ist sie staubig, ein Feldweg. Auf ihren beiden Seiten – grüne Felder und eine Sonne in der Ferne. Riesig, orange, wärmend wie das Ende der Welt. Eins, zwei, drei, vier ... So kann es sein. So kann es sein. Ein Kreis im unreifen Weizen, oder vielleicht ist es Hafer oder Roggen, es spielt keine Rolle. Die Arme sind weit ausgebreitet und die Beine – leicht gespreizt. Atme! Drei Schwestern sitzen ... Seit dieses Märchen geschrieben wurde, sitzen die drei Schwestern am Fenster und spinnen. Es läuft dieselbe alte Geschichte ab. Im Märchen gibt es keine andere Option. Es gibt kein Optionsrecht. Was einmal geschrieben wurde, wird zu einer Gravur im Raum und erstarrt.’
Maria Stankova
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Emilia Dvoryanova
Zemnite gradini na Bogoroditza (Die irdischen Gärten der Mutter Gottes)
Obsidian

‚Die irdischen Gärten der Mutter Gottes’ ist ein herrliches, für manche vielleicht skandalöses Buch, das den Geist von Athos, des für Frauen verbotenen Ortes, auf einzigartige Weise einfängt. Nachdem die weiblichen Charaktere von Dvoryanova zuvor die musikalische Erotik (‚Leidenschaft oder Alissas Tod’) kennen gelernt und eine ethische Katharsis (‚Frau G.’) erfahren hatten, versuchen in ihrem neuen Roman nun drei Marien, ihr Verlangen nach dem Unerreichbaren zu befriedigen. Auf den Irrungen und Wirrungen der Handlung, auf den verschlungenen Pfaden um den Sveta Gora, auf der Suche nach der verschwundenen Maria erhält der Ort, zu dem der Zutritt verboten ist (oder ist er nur Frauen verboten?), allmählich seine Bedeutung, seine Sichtbarkeit und seine Substanz.
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Palmi Ranchev
Anonimni snaijperisti (Die anonymen Heckenschützen)
Fama

Palmi Ranchevs Roman erzählt uns ein weiteres Mal, was hier und jetzt passiert, im feindseligen Umfeld des endlosen bulgarischen politischen und wirtschaftlichen Übergangs mit all seinen Irrwegen und Irrsinnigkeiten. Ohne auf die bekannten Erzählformen moderner Romane zurückzugreifen, die die kriminelle Seite eines Teils der bulgarischen Gesellschaft beschreiben, setzt der Autor diesen Hintergrund ein, um das Leben seines Protagonisten noch absurder zu machen. Dieser hat es gewagt, zu widersprechen, sich dem zu widersetzen, von dem Medien und Politiker uns heute unbedingt überzeugen wollen – beugt Eure Köpfe, findet Euch damit ab, denn es gibt noch Schlimmeres.
Silvia Choleva
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